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Enjoy [http://gau.tilianus.net/2/bilingualism.html] Version PvdL14017
  • Leitfragen zum Thema

    • Was ist Bilingualismus?
    • Ist Bilingualität ein Vorteil oder ein Nachteil?
    • Sind Bilinguale anders als "normale Menschen"?
    • Einmal bilingual - immer bilingual?
    • Gibt es eine Altersgrenze für Bilingualität?
    • Besteht ein Zusammenhang zwischen Bilingualität und Identität, Kultur, etc.?
  • Kinder und Sprache

    • Wozu brauchen Kinder Sprache?

      • Beziehungen aufbauen

      • Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens damit, soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, durch kommunikative Rituale. Kommunikative Rituale sind Sprechhandlungen, die Individuen wechselseiting vollziehen, nicht um Informationen auszutauschen, sondern um einen sozialen Kontakt aufzubauen oder zu pflegen.
        Kleinkinder lernen die Grundlagen der Kommunikation lange bevor sie auch nur ansatzweise sprechen lernen.

        Sprache ist ein soziales Instrument.
        Kommunikation wird früher erlernt als Sprache.

      • Informationen austauschen

      • Kleinkinder haben recht früh das Bedürfnis, auf Gegenstände zu zeigen und sie zu benennen, bzw. einfache Handlungen zu benennen ("show and tell"). Solche frühkindlichen Äußerungen sind für Erwachsene meist schwer zu verstehen. Dies führt dazu, daß letztere ständig rückfragen müssen. Aus diesen sprachlichen Reaktionen lernen Kleinkinder. Aber Kleinkinder Benennen nicht nur, sondern stellen Vermutungen an, kommentieren ihre Umwelt kritisch.

      • Denken

      • Typische Fehler, die Kleinkinder in dieser Frühphase machen, zeigen, daß sie beginnen ihre Umwelt zu verstehen. So wird beispielsweise das Wort "Hund" zunächt für alle Vierbeiner verwendet oder das Wort für "Pferd" erst für "interessante Gegenstände", dann für "schön", und dann erst für irgendwelche Tiere.

        Ein Kind, daß eine Sprache lernt, lernt dadurch die Welt kennen, wie sie strukturiert ist und wie sie funktioniert. Im Gegensatz dazu hat ein Erwachsener bereits eine feste Vorstellung von der Welt und versucht sie zu artikulieren. Erwachsene können bewußt ihre kognitiven Fähigkeiten einsetzen.

        Einer der größten Vorzüge des Bilingualismus ist es, daß bereits Kleinkinder lernen, daß die Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen und Gegenständen keine notwendige ist. Es scheint, daß diese frühe Übung in Abstraktion ihnen zu jener geistigen Flexibilität und Offenheit verhilft, welche von Experimentatoren und Psychologen oft berichtet wird.

        Zwar ist in den meisten Fällen eine der beiden Sprachen in der Weise dominant, daß der Bilinguale überwiegend in dieser denkt. Die jeweils andere Sprache wird jedoch gerne zur Lösung von Problemen in der Weise genutzt, daß der Bilinguale sich von zwei Seiten dem Problem nähert.

      • mit Wörtern spielen

      • Kleinkinder erfreuen sich oft daran Laute oder später Wörter zu wiederholen. Bilingual aufwachsende Kinder scheinen ihr situationsbedingt größeres Repertoir an Lauten durcheinander zu bringen. Dieses ist jedoch ein natürlicher Prozeß, mittels dessen das Kind seine Laute sortieren lernt.

      • während des Lernens kommunizieren

      • In der Zweiwortphase beginnen Kinder mit dem Aufbau grammatischer Strukturen. Die Komplexität der zu erlernenden Sprache bestimmt dabei das Tempo.
        Kinder lernen nun auch das die Reihenfolge der Konstituenten eines Syntagmas relevant ist. Fragewörter werden allerdings zunächst verwendet, ohne die Syntax entsprechend zu modifizieren.
        Schließlich, mit der Erlangung des Ich-Bewußtseins, lernen Kinder, sich als autonome Entität zu begreifen und anderen Individuen andere Perspektiven zuzuordnen.
        In dieser Phase können Kinder eine Zweitsprache sehr effizient lernen; ihr ganzes Dasein ist dem Zwecke des Spracherwerbs gewidmet in einer Zeit maximaler Bereitschaft und Gelegenheit. Sie lernen nicht über die Sprache sondern durch ihren Gebrauch in ihr.

        Ab etwa dem fünften Lebensjahr sind die größten Hürden der Grammatik genommen. Unterschiede in der Entwicklung sind zum Teil enorm. Daraus sollten jedoch keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Manche Kinder sprechen lange Zeit überhaupt nicht, dann jedoch unmittelbar in ganzen, korrekten Sätzen.

    • einige allgemeine Begriffe zur Sprache

      • 'Sprache' und 'Dialekte'

      • Die Unterscheidung von (eigenständiger) Sprache und Dialekt ist oft schwierig und nicht selten ein Politikum (T�rkei, China, Skandinavien). Tatsache ist jedoch, daß wir alle Dialekt sprechen und einen Akzent haben. In vielen Gegenden werden zwei Dialekte gesprochen (z.B. Bairisch und Hochdeutsch); streng genommen handelt es sich dabei um Biligualität.

      • geschriebene Sprache und gesprochene Sprache

      • Sprache ist an erster Stelle gesprochene Sprache. Viele Sprachgemeinschaften kennen keine Schrift. Es gibt Bilinguale, die nur in einer der beiden Sprachen literiert sind oder in keiner.

      • Sprachwandel

      • Alle sprachlichen Phänomene unterliegen dem Wandel.

      • Struktur der Sprache

      • Phonologie, Grammatik, Semantik, Pragmatik

      • sprachliche Variation

      • Nebst zeitlicher (i.e. Sprachwandel) und geographischer (i.e. Dialekt) gibt es auch situative Variation. Je nach Kontext (Bekannten oder Fremden gegenüber, Kollegen oder Vorgesetzten gegenüber, privat oder offiziell, etc.), sind wir in der Lage uns sprachlich anzupassen. Stärken und Schwächen bezüglich der einzelnen Register sind individuell. So gesehen sind wir alle Multilingual, weil wir gelernt haben, zwischen "verschiedenen Sprachen" zu unterscheiden.
        Auch unter den Bilingualen gibt es viele, für die beispielsweise die eine Sprache die Geschäftssprache und die andere die Freizeit sprache ist; entsprechend sind die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten gelagert.

      • wichtige Erkenntnisse zum Spracherwerb

      • Was Spracherwerb nicht ist:

        • Spracherwerb ist nicht einfach eine Frage der Wiederholung. Manches kann man stundenlang wiederholen, ohne es sich merken zu können, anderes merkt man sich unmittelbar.
        • Korrigieren und korrigiert werden hat keinen besonderen Einfluß auf den Lernprozeß. Gerade im Kindesalter beziehen sich die Reaktionen auf die Sprachäußerungen des Kindes in erster Linie auf den Inhalt.
        • Spracherwerb ist kein wohlgeordneter, linearer Prozeß. Es herrscht das Prinzip von Versuch und Irrtum. Dabei werden nicht selten auch richtige Versionen "wieder zurückgenommen".
        • Fehler sind nicht notwendigerweise ein Zeicher für Lernschwierigkeiten. Kinder lernen indem sie "Fehler machen", d.h. ausprobieren.

        Was Spracherwerb ist:

        • Spracherwerb bedeutet eine Zunahme des Umfangs an Begriffen, die zur Verfügung stehen. Phoneme werden gelernt, weil sie semantisch relevant sind.
        • Eine Sprache erlernen ist nicht dasselbe wie über eine Sprache etwas lernen. Genauso, wie es möglich ist, sich mit der Theorie einer Sprache auszukennen, ohne sie sprechen zu können, ist es auch möglich, eine Sprache zu sprechen, ohne den Hauch einer Ahnung von deren Theorie.
        • Spracherwerb ist ein Produkt von 'Motivation und Gelegenheit'. Kinder brauchen normalerweise nicht ermutigt zu werden, eine Sprache zu lernen. Sie brauchen sehr wohl Gelegenheit dazu. Das im eigenen Zimmer rumhocken bietet gewiß nicht hinreichend Anregungen. Das Abhängen mit den Kinder aus der Nachbarschaft kann dagegen sehr anregend sein.
        • Sprache ist ein soziales Phänomen und Spracherwerb daher eine soziale Aktivität. Viele Aspekte der Sprache können nur in dierekter Interaktion mit möglichst vielen Sprechern erlernt werden.

        Spracherwerb daheim versus in der Schule:

        • Zwar ist im Schulischen Kontext die Bandbreite der Gespr�chsthemen durch die pädagogische Zielsetzung beschränkt, dafür lernen Kinder in der Schule mit größeren Gruppen zu interagieren.
        • Schule bietet eine systematische und mehrschichtige Unterweisung. Von seinen Eltern bekommt man in der Regel keine Sprachtheorie beigebracht. Dafür sind ja schließlich die Schulen zuständig.

  • Was ist Bilingualismus?

      • Einige Definitionen für Bilingualismus


      • Bilingualism is native-like control of two languages […]. Of course one cannot define a degree of perfection at which a good foreign speaker becomes a bilingual: the distinction is relative. (L.Bloomfield, 1933)

        Bilingualism is understood […] to begin at a point where the speaker of one language can produce complete, meaningful utterances in the other language. (E.Haugen, 1953)

        The phenomenon of bilingualism [is] something entirely relative […]. We shall therefore consider bilingualism as the alternate use of two or more languages by the same individual. (W.F.Mackey, 1962)

        The bilingual or holistic view of bilingualism proposes that the bilingual is an integrated whole which cannot easily be decomposed into two separate parts. The bilingual is NOT the sum of two complete or incomplete monolinguals; rather, he or she has a unique and specific linguistic configuration. (E.Grosjean, 1992)

        Bilingualism refers to the phenomenon of competence and communication in two languages […]. A bilingual society is one in which two languages are used for communication. In a bilingual society, it is possible to have a large number of monolinguals […] provided that there are enough bilinguals to perform the functions requiring bilingual competence in that society. There is, therefore, a distinction between individual bilingualism and societal bilingualism. (A.Lam, 2001)

      • 'Elitebilingualismus' and 'Volksbilingualism'

      • Es ist zu unterscheiden zwischen (1) Menschen, welche sich zur Verfolgung ihrer selbstgesteckten, akademischen oder geschäftlichen Ziele in einem anderssprachigen Land aufhalten und dadurch gleichsam freiwillig selbst oder in der nächsten Generation einen Grad an Bilingualität erlangen, und (2) Menschen, die sich gezwungenermaßen in einer solchen Situation wiederfinden, sei es, (a) weil ihre Muttersprache nicht die Amts- oder Verkehrssprache ihres Landes ist, oder, (b) weil wirtschaftliche Not sie zwang als Gastarbeiter in einem anderssprachigen Land um ihre Existenz zu ringen.

        Spracherwerb ist – wie gesagt – ein Produkt von 'Motivation und Gelegenheit'. So gesehen ist es leicht verständlich, warum (1) es leichter fällt als (2) und (2a) es wiederum leichter hat als (2b) die Zweitsprache so zu erlernen, daß wir von Bilingualitä zu sprechen geneigt sind (eingedenk der oben angeführten Ansätze).

      • Different kinds of bilingual societies

      • Bilingualistische Gesellschaften entstehen oft, wenn verschiedene Sprachgemeinschaften aus wirtschaftlichen Gründen miteinander interagieren (z.B. USA/Mexico). In manchen Ländern herrscht Bilingualität in solchen Regionen vor, in denen Sprachminderheiten zu finden sind (z.B. Elsaß). In wieder anderen Ländern (so beispielsweise viele afrikanische Staaten) haben derart viele autochtone Sprechergemeinschaften, daß die Menschen dort zusätzlich zu ihrer Muttersprache noch eine Amts- und oft auch noch eine Verkehrssprache beherrschen müssen. Amtssprache ist dabei nicht selten die Sprache der ehemaligen Kolonialherren.

        Ferner gibt es noch das Phänomen der Diglossie. Damit ist gemeint, daß fast alle Menschen zwischen einer Hoch- oder Standart- und einer Umgangs- oder Alltagsvariante unterscheiden können. Der Unterschied kann so enorm sein wie beispielsweise in der Schweiz, wo bewußt am Hochdeutschen als Standartsprache festgehalten wird, obwohl die Umgangssprache so stark davon abweicht, daß sie von Nicht-Allemannen normalerweise ohne erhebliche Anstrengungen nicht verstanden wird (dieses gilt auch für arabischsprachige Länder).

        Auch gibt es etliche Berufsgruppen, die Mehrsprachigkeit erfordern, wie z.B. Übersetzer, Diplomaten, bestimmte IT-Fachleute, Reise- und Tourismusfachleute, Kommunikationsspezialisten, Journalisten und Sprachlehrkr�fte und andere.

        Schließlich galt Mehrsprachigkeit lange als Zeichen der Zugehörigkeit zur Oberschicht, so beispielsweise in England, Deutschland und Rußland.

      • Bilingualismus ist nicht selten

      • Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist Mehrsprachig. Verhältnisse, wie sie in Europa herrschen, sind die Ausnahme. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß um die 6000 (sechstausend) Sprachen weltweit gesprochen werden und sich die Sprecher auf lediglich 150 (hundertf�nfzig) Länder verteilen, dann wird schnell deutlich, daß die meisten dieser Länder mehrsprachig sein müssen.

      • Nationale Identität und der monolinguale Staat: das Beispiel Frankreich, die Franzosen und ihr Französisch

      • Sprache ist als identitätstiftendes Moment von enormem politischen Interesse. Nicht nur in Frankreich gilt die Nationalsprache als Garant für die nationale Integrität. So galt zur Zeit der französischen Revolution sprachlicher Regionalismus oder gar dialektale Vielfalt als feudalistisch und somit unbedingt als ein Abzuschaffendes. Dessen ungeachtet kennt der Vorzeigestaat in Sachen Monolingualismus nachwievor eine Vielzahl von Minoritätensprachen: Baskisch, Bretonisch, Elsässisch, Flämisch, Katalanisch, Korsisch und Okzitanisch.

      • 'Offizieller' und individueller Bilingualismus

      • Erstaunlicherweise weisen solche Staaten, die offiziell Monolingual sind, wie z.B. China, Frankreich, Indonesien und die T�rkei, weit mehr Sprachminoritäten auf als solche, wie die Schweiz, die verfassungsmäßig mehrsprachig sind.

        In China gibt es offiziell nur zwei Sprachen, nämlich Mandarin und Kantonesisch. Trotzdem können viele Chinesen, die angeblich die selbe Sprache sprechen, sich untereinander nur verständigen, indem sie das gemeinsam genutzte Schriftzeichen für den anderen sichtbar mit dem Finger andeutungsweise in die Handfläche "malen".

  • Was man über Bilingualismus wissen sollte

      • Bilingualismus ist relativ

      • Wie perfekt muß ein Sprecher zwei Sprachern jeweils beherrschen, um als bilingual gelten zu dürfen?

        Die Antwort ist so klar wie unbefriedigend: "Freilich, man kann einen Grad an Perfektion nicht definieren, bei dem ein guter Fremdsprachler zum Bilingualisten wird: der Unterschied ist relativ." (L.Bloomfield, 1933)
        Nicht die relative Kompetenz scheint daher entscheidend zu sein, sondern, wie häufig und zu welchen kommunikativen Zwecken der Sprecher zwischen den ihm zur Verfügung stehenden Sprachen auswählt. Häfig können sich Sprecher je nach Gegenstand des Diskurses ("Frame") lediglich in der einen oder anderen Sprache ausdrücken.

        Ein häufig zu beobachtendes Phänomen ist die Dominanz einer Sprache bei Bilingualisten. Eine solche Dominanz ist jedoch keineswegs festzementiert, sondern kann, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern ( z.B. Umzug in das Land der jeweils anderen Sprache), sich dahingehend verändern, daß schließlich die andere Sprache die dominante ist.

        Ein weiteres, häufig zu beobachtendes Phänomen hauptsächlich der gesprochenen Sprache ist die Interferenz. Diese tritt auf allen Ebenen der Sprache zu Tage und bewirkt eine Übertragung von Eigenheiten der einen Sprache in die andere (Bsp. Lexik: "bouteilles" für Fläschchen – analog zu englisch "bottle" – statt korrekt französisch "biberons").

        Rezeptiver (d.h. passiver) Lingualismus ist eine Sonderform des Bilingualismus, bei dem der Sprecher eine seiner Sprachen zwar "fließend" verstenen, jedoch nicht sprechen kann. Gründe dafür sind fehlende Motivation oder Sprachpraxis. Ein rezeptiver Bilingualist hat jedoch jederzeit die Möglichkeit, sich mit geringem Aufwand zu einem "normalen" Bilingualisten weiter zu entwickeln.

        Eine weitere interessante Variante ist der assymetrische Bilingualismus: Der assymetrische Bilingualist spricht eine seiner Sprachen besser, als er sie verstehen kann. Dieses macht sich regelmäßig dann bemerkbar, wenn der assymetrische Bilingualist die betreffende Sprache im Umgang mit einem sehr kleinen Personenkreis (meist nur ein Elternteil) gelernt hat und nun in ein Land reist, in dem diese Sprache als Muttersprache gesprochen wird, (in der Regel das Heimatland des betreffenden Elternteils). Daraus folgt, daß der assymetrische Bilingualist die betreffende Sprache offensichtlich ungünstigsten Falls als Ideolokt des entsprechenden Elternteils erlernt hat, nicht aber in der allgemeinen Form, wie sie nur von einer hinreichend zahlreichen Sprechergemeinschaft gepflegt werden kann.

        Schließlich dürfen wir nicht vergessen, daß auch Bilingualisten sprachliche Stärken und Schwächen haben, wie Monolingualisten auch. Probleme bei der Untersuchung von Bilingualismus ergeben sich regelmäßig dann, wenn unbewußt für Bilingualisten viel strengere Maßstäbe angelegt werden als für Monolingualisten, zumal wenn das bewußte Ziel der Untersuchung der Nachweis sein soll, daß Bilingualität nachteilig sei.

      • "kombinierter" und "koordinierter" Bilingualismus

      • Obschohn diese Unterscheidung überholt zu sein scheint, da sie zu stark vereinfacht, soll sie dennoch nicht übergangen werden, zum einen weil sie mal sehr einflußreich war, aber besonders weil diese Konzepte sich einiger sehr wichtiger Charakteristika des Bilingualismus annehmen: Sie stellen gewissermaßen die richtigen Fragen, obgleich die Antworten falsch sind.

        Mit kombiniertem Bilingualismus ist gemeint, da� die einander entsprechende Ausdrücke oder sprachliche Zeichen der beiden Sprachen mit demselben Begriff oder Konzept verknüpft seien. Mit koordiniertem Bilingualismus ist gemeint, daß einander entsprechenden Ausdrücke oder sprachliche Zeichen mit unterschiedlichen Begriffen oder Konzepten verknüpft seien, d.h. beide Sprachen würden separat verarbeitet.

        Diese Unterscheidung wurde ursprünglich vorgenommen um Unterschieden in der kognitiven Organisation in bilibgualen Individuen Rechnung zu tragen. Leider jedoch gibt es praktisch keinen Bespielfall für entweder einen rein kombinierten noch für einen rein koordinierten Bilingualisten, weil einerseits keine zwei natürlichen Sprachen konzeptuell so disjunkt sind, daß sich keinerlei Gemeinsamkeiten fänden, andererseits keine zwei natürlichen Sprachen konzeptuell so kongruent sind, daß nicht zahlreiche Unterschiede auszumachen wären.

      • Alter des Spracherwerbs

        • Spracherwerb im Kleinkindalter

          Kleinkinder erlangen Bilingualität indem sie die fraglichen Sprachen simultan erwerben (Dazu später mehr!) und das ein wenig später als monolinguale Kinder; allerdings ist der Unterschied zwischen Mädchen und Buben größer als zwischen mono- und bilingualen Kindern.

        • Spracherwerb im Kindesalter

          Die Geschwindigkeit mit der von einem Kinde eine Sprache erlernt werden kann ist nur vergleichbar mit der Geschwindigkeit, mit der sie wieder vergessen wird. Hat ein Kind eine Zweitsprache erlernt, ist dessen Sprachkompetenz nicht von der eines Kindes zu unterscheiden, welches seine Bilingualität im Kleinkindalter erworben hat.

        • Spracherwerb nach der Pubertät

          Später (≶20 Lebensjahre) erworbener Bilingualismus ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß der spezifische Akzent der Zweitsprache nicht mehr erlernt wird. Darüber hinaus entscheiden auch wieder Bereitschaft und Gelegenheit über den Erfolg des Spracherwerbs.

        • Bikulturalismus

        • Enkulturiertheit ist eine ganz erhebliche Komponente. Wenn man grammatische oder lexikalische Fehler macht, denken die Leute, mach spreche schlecht. Macht man dagegen kulturelle Fehler, so denken sie, man benehme sich schlecht; jemendem, der die Sprache eines Kulturkreises fehlerlos beherrscht, wird unwilkürlich unterstellt, er sei auch mit den Gepflogenheiten hinreichend vertraut.

          Eine dem Kinde fremde Kultur kann anfänglich dessen Spracherwerb hemmen. Oder um den Leitgedanken "Bereitschaft und Gelegenheit" wieder aufzugreifen: Die Gelegenheit ist zwar da, die Bereitschaft jedoch zunächst deswegen nicht, weil die Sprache zunächst zusammen mit der fremden Kultur abgelehnt wird. Kinder können ihren Unmut jedoch wesentlich schneller überwinden als erwachsene, wenn sie beispielsweise mit anderen Kindern spielen oder eine Schule besuchen. Spätestens wenn das Kind einen Freundeskreis aufgebaut hat, steht der Eingliederung in die andere Kultur nichts mehr im Wege.
          In der Regel sind es sogar die Kinder, die ihren Eltern helfen, einen Zugang zu der anderen Kultur zu finden.

    • Die Entwicklung des zweisprachigen Kindes

    • Diesem Teil soll unser Hauptaugenmerk gelten. Die Frage, die uns dabei ständig begleiten sollte, ist: Worin unterscheidet sich die Entwicklung eines zweisprachigen von der eines einsprachigen Kindes?

      Das meisten Erkenntnisse über Spracherwerb, wurden aus Fallstudien gewonnen oder von Linguisten-Eltern, welche ihre eigenen Kinder beobachteten. Durch zunehmende Verwendung von Bild- und Tonaufzeichnungsger�ten, kommt zunehmend Material zustande, welches auch strengen wissenschaftlichen Kriterien genügt.

      • simultaner Spracherwerb

      • Kurz gesagt: Kindern, die gleichzeitig "zwei Sprachen als Erstsprache" erlernen, geht es grundsätzlich nicht anders als Kindern, die nur eine Sprache in dieser Zeit lernen. Der Notwendigkeit zweisprachiger Kinder, zwischen ihren Sprachen unterscheiden lernen zu müssen, trifft einsprachige Kinder in vergleichbarer Weise: Auch einsprachige Kinder müssen lernen, zwischen mehreren Registern zu unterscheiden; mit einem Fremden spricht man anders als mit einem Bekannten, mit Erwachsenen anders als mit anderen Kinden, usw.

        • Typen zweisprachiger Familien

        • Geringfügige Unterschiede können ausgemacht werden, je nachdem, ob Mutter-, Vater- oder Kontextsprache gleich sind. Allerdings lassen sich diese Unterschiede auch wieder auf das Grundprinzip "Bereitschaft und Gelegenheit" zurückführen. Soll heißen: Unterschiede können entstehen, weil zum einen je nach Konstellation die Bereitschaft des Kindes eine andere sein kann, viel mehr noch die Gelegenheit des Kindes, seine Sprachekompetenz im Kontakt mit anderen auszubilden.

        • Ähnlichkeiten in der Entwicklung zwei- und einsprachiger Kinder

        • Zwar berichten Eltern von zweisprachigen Kindern immer wieder, diese hätten später sprechen gelernt, konkrete Zahlen, sofern verfügbar, scheinen jedoch zu belegen, daß der Unterschied zu einsprachigen Kindern gering ist, bzw. wie wir an anderer Stelle bereits gelernt haben, geringer als der Unterschied zwischen Mädchen und Buben. Eine mögliche Erklärung für die Fehleinschätzung der Eltern könnte in deren Ungeduld zu finden sein. Wie wir ebenfalls bereits gelernt haben, werden zweisprachige Kinder hinsichtlich ihrer sprachlichen Entwicklung offensichtlich unwillkürlich kritischer beurteilt als einsprachige Kinder, jedenfalls in Europa, wo Bilingualität nach wie vor die Ausnahme ist und daher noch sehr mißtrauisch wahrgenommen wird.

        • Auseinanderhalten der Sprachen

        • Es darin gibt zwei Glaubensrichtungen. Die einen glauben, Kinder, die Bilingualität simultan erwerben, vermischten die beiden sprachen zunächst zu einer Kombisprache und entmischten sie erst in Folge ihrer sprachlichen Entwicklung, die anderen glauben, daß jene Kinder gleich von Anfang an ihre Sprachen separiert erlernten. Für diese für Psychologen überaus interessante Frage ließe sich jedoch nur aufgrund umfangreicher statistischer Erhebungen Tendenzen ermitteln. Studien scheinen jedoch bereits zu belegen, daß

          • Kinder nie oder selten ihre Sprachen mischen,
          • Kinder, die anfangs mischten, dies später nicht mehr tun,
          • 'Mischen' Teil des sprachlichen Entwicklungsprozesses ist.

          Bei diesen Kindern können drei Phasen der sprachlichen Entwicklung hinsichtlich der "Sprchtrennung" unterschieden werden:

        • Phase 1

          In der ersten Phase ist es offensichtlich so, daß das Kind ein lexikalisches System (=Vokabular) aufbaut, welches Anteilig den Wortschatz beider Sprachen enthält. Sich entsprechende Vokabeln sind jedoch noch nicht gepaart, da dieses System nach dem Prinzip "eine Vokabel = ein Konzept" funktioniert, d.h. es wird entweder nur eines der Wörter benutzt oder beide mit unterschiedlicher Bedeutung. Ein Phänomen, daß unter dem Begriff Sprachökonomie gefaßt werden könnte.
          Auch zu Konkatenation und Kontaminationskomposita der einander entsprechenden Vokabeln der beiden Sprachen kommt es gelegentlich. Es ist dies wohl die Reaktion auf das Überangebot an Bedeutungsträgern.

          Auf Lautlicher Ebene ist ein vergleichbarer Vorgang zu beobachten: Das Kind verfügt zunächst über das komplette Phoneminventar beider Sprachen fusioniert und benutzt dieses um beide Sprachen in gleicher Weise zu artikulieren. Im Laufe der Entwicklung differenzieren sich zwei Systeme aus.

        • Phase 2

          In der zweiten Phase hat das Kind zwar offensichtlich schon zwei separate Vokabulare; es benutzt jedoch noch eine gemeinsame, rudimentäre Grammatik. Auffälliges Verhalten ist zu beobachten, wenn einander entsprechende Vokabeln einander sehr ähneln (Bsp.: Engl./Franz.), und zwar der Art, daß das Kind offenbar das Bedürfnis hat deutlich zu differenzieren. Ist eine Vokabel in der einen Sprache schwierig auszusprechen, so wählt das Kind die entsprechende Vokabel der anderen Sprache (Bsp.: Knopf/Bouton).

          Spätestens ab dem Moment, wenn das Kind in der Lage ist von der einen Sprache in die andere zu übersetzen (ca. drittes Lebensjahr), muß von getrennten Vokabularen ausgegangen werden.

        • Phase 3

          In dieser letzen Phase wird nun auch die Grammatik ausdifferenziert. Dabei kann es – entsprechend dem in Phase 2 aufgetretenen Bedürfnis deutlich zu differenzieren – zu einer Übergeneralisierung kommen, sofern sie unterscheiden hilft (Bsp.: Attribut vorangestellt/nachgestellt).

        • Schließlich dürfen wir nicht vergessen, daß ein Kind, welches mischt, dies nicht notwendigerweise tut, "weil es nicht klarkommt"; es mag auch schlicht der Fall sein, daß das Kind über eine Bestimmte Vokabel eben nur in der anderen Sprache verfügt.

        • Bewußtsein für Bilingualität

        • Ungefähr ab dem Alter, wenn Kinder beginnen zu übersetzen, scheinen sie auch ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, zwei Sprachen zu sprechen. Dabei werden die Sprachen Personen zugeordnet: die eine Sprache dem Vater, die andere der Mutter und gegebenenfalls die des Kindergartens der Kindergartentante.
          Fragen wie "Welche Sprache spreche ich jetzt gerade?" oder "Sprechen alle Väter XY?" sind häufig gestellte fragen in dieser Entwicklungsphase, welche erkennen lassen, daß das Kind sich zu verorten sucht.

        • Sprachwechsel und Übersetzen

        • Der abrupte Wechsel von einer Sprache in die andere wirkt für nicht zweisprachige sowohl verwirrt als auch verwirrend. Es ist dies jedoch die bewußte oder auch unbewußte Ausnutzung einer Möglichkeit, die sich aus Bilingualität ergibt, nämlich Emphase. Und nichts anderes ist dies als, wenn beispielsweise ein einsprachiger Deutscher plötzlich in seine Mundart verfällt, weil er plötzlich von seinen Gefühlen überweltigt wird.

        • Ein 'geborener Übersetzer'?

        • Übersetzen scheint ein angeborenes Bedürfnis zu sein. Zweisprachige Kinder beginnen damit, sobald sie in der Lage sind ihre Sprachen unabhängig voneinander zu benutzen. Oft sind es die Kinder von Immigranten, die ihren Eltern helfen, mit den eingesessenen zu kommunizieren. Recht bald bemerken diese Kinder, welche Macht sie dadurch haben. In einem Beispielfall verlangt ein italienischer Einwanderer von seiner Tochter, eine Beleidigung zu übersetzen; diese übersetzt jedoch äußerst diplomatisch, um ihren Vater dadurch vor unangenehmen Konsequenzen zu schützen. In einem anderen Beispielfall berichtet eine Lehrerin, daß sie sich gezwungen gesehen habe, Arabisch zu lernen, weil die Eltern der Kinder, mit denen sie ein ernstes Wort zu reden hatte, in der Regel nicht die Reaktionen zeigten, die zu erwarten gewesen wären, nachdem die Kinder ihre mahnenden Worte "übersetzt" hatten.

          Auch hier gilt jedoch die Einschränkung, daß Fertigkeiten unterschiedlich verteilt sind: Manche Menschen können besser übersetzen als andere. Zudem spielt eine Rolle, ob spezielle Vokabular erforderlich ist, welches – wie wir bereits gesehen haben – nicht selten nur in einer der beiden Sprachen aktiviert werden kann. Schließlich spielen außersprachliche Faktoren eine Rolle, wie das Alter, die persönliche Erfahrung, die Persönlichkeit des Kindes und die spezifische Situation, sowie die Beziehungen zwischen den Aktanden.
          Unter günstigen Bedingungen scheinen es Kinder zu genießen, gebraucht und anerkannt zu werden. Unter ungünstigen Bedingungen neigen dieselben Kinder zu Wort-für-Wort-Übersetzungen.

      • sukzessiver Spracherwerb

      • Kinder können prinzipiell in jedem Lebensalter Bi- oder Multilingualität erwerben durch Hinzulernen einer weiteren Sprache. Es ist sogar die verbreitetste Form der Mehrsprachigkeit die sukzessive. Bedingt ist dies meist durch den Umzug der Eltern, die in zunehmendem Maße der Arbeit hinterherreisen. Eine ebenfalls häufig ursächlich ist es, wenn die Eltern eine Sprache sprechen, welche nicht dem Standart des Umfeldes entspricht, weil sie zugereist sind oder einer sprachlichen Miderheit angehören; diese Kinder lernen zunächst die Sprache der Eltern und später im Kindergarten oder in der Schule erst die offizielle Sprache.

        Einer weitverbreiteten Überzeugung zu folge läßt die Fähigkeit eine weitere Sprache zu erlernen mit dem Alter stetig ab. Diese Einschätzung beruht im Wesentlichen auf einer unkritischen Beobachtung kindlichen Spracherlernens. Kinder verwenden viel Zeit und Mühe darauf Sprache zu erlernen; sobald Erwachsene den gleichen Aufwand treiben, scheinen sie, von der Aussprache abgesehen, vergleichbare Erfolge zu erzielen. Erwachsene können sogar effizienter weil systematischer und zielgerichteter lernen.
        Diese Überzeugung wird jedoch auch genährt durch die Tatsache, daß Kinder Fremdsprachen akzentfrei lernen, wogegen ältere Lerner ihren Erstsprachakzent in der Regel nie ablegen. Solche Beobachtungen wurden stets zitiert um die Hypothese einer "kritischen Phase" zu untermauern. Dieser Hypothese zufolge sind Menschen darauf programmiert, in der Zeit zwischen Geburt und Pubertät Sprache(n) zu lernen; danach verliere das Gehirn seine Plastizität und damit die natürliche Fähigkeit gleichermaßen.
        Diese Hypothese ist seit dem sie zum ersten Male formuliert wurde immer weiter unterminiert worden. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, daß die Lateralisierung des Gehirns, welche der Hypothese zufolge mit dem Ende der postulierten "kritischen Phase" eintreten sollte, tatsächlich aber schon viel früher eintritt. Auch konnte nachgewiesen werden, daß Erwachsene ähnliche Laute besser unterscheiden und reproduzieren können.
        Was den Akzent anlangt, so ist festzuhalten, daß viele Erwachsene ihren Akzent nicht deshalb nicht ablegen, weil aus irgendwelchen neurologischen Gründen sie es nicht könnten, sondern, weil er Bestandteil ihrer Identität geworden ist.
        Schließlich haben es Kinder insofern leichter, weil ihr gesamtes Umfeld darauf ausgerichtet ist, ihnen das Sprachlernen zu ermöglichen, und Kinder auf nicht wie erwachsene durch Verpflichtungen verschiedenster Art abgelenkt werden. Zudem ist es enorm motivierend für ein Kind, das sich integrieren will, Freundschaften schließen will, die Sprache der anderen Kinder zu lernen. Wird es dagegen auf Ablehnung stoßen, so wird der Spracherwerb entsprechend darunter leiden.

        • Wird die Zweitsprache genauso gelernt wie die Erstsprache?

          Diese Frage scheint trivial und in der Tat sind sich alle bis auf ein paar kommerzielle Sprachschulen dahingehend einig, daß keine weitere Sprache erlernt wird wie die erste. Die Frage ist allerdings, in wie weit sich dieses auswirkt. Man nahm an, die Erstsprache beeinflusse in ganz erheblicher weise und auf allen Ebenen jede weitere. Es verdichtet sich jedoch der Eindruck, daß ungeachtet einer möglichen Interferenz durch die Erstsprache, die Vorgänge beim Lernen jeder weiteren Sprache ähnlich sind.
          Zudem scheint erwiesen, daß bestimmte Fehler, welche für zweitsprachler als charakteristisch Galten, genauso auch von Erstsprachlern gemacht werden.

        • Typische Integrationsstrategien:

        • Kognitive Strategien:
          • Nimm an, daß das, was gesagt wird unmittelbar relevant ist für die Situation, in der Du Dich befindest, bzw. die Du erlebst!
          • Greife Ausdrücke auf und fange an zu sprechen!
          • Suche nach wiederkehrenden Elementen in Formulierungen, die Du kennst!
          • Mach das meiste aus dem, was Du hast!
          • Konzentriere Dich auf das Wesentliche, hebe Dir Details für später auf!

        • Soziale Strategien:
          • Schließe Dich einer Gruppe an und gib vor, Du verstündest, was vor sich geht, auch wenn dies nicht der Fall ist.
          • Erwecke den Eindruck mit ein paar wohl gewählten Worten, daß Du die Sprache sprechen könntest.
          • Verlaß Dich auf die Hilfe Deiner Freunde.

          Auch wenn diese Strategien nicht unmittelbar zum Verständnis beitragen, so zeigen sie doch deutlich, wie wichtig es für Kinder ist, soziale Kontakte zu knüpfen, und für Eltern in derselben Geschwindigkeit die neue Sprache zu erlernen. Erwachsene finden sich wesentlich häufiger in Situationen wieder, in denen es unmöglich ist, so zu tun als ob, bzw. die Details für später aufzuheben. Wenn Sprachelernen für Kinder manchmal schwer ist, so ist es für Erwachsene manchmal die Hölle.

      • Bilingualismus und Intelligenz

      • McLaughlin schreibt 1978 in seinem Buch "Second Language Acquisition in Childhood" sinngemäß, daß bis dato keine allgemein formulierte Arbeitshypothese über die Auswirkungen von Bilingualismus durch Forschungsergebnisse bestätigt werden konnte: Weder positive noch negative Effekte von Bilingualismus konnten gezeigt werden in Bezug auf die Intelligenz, Sprachfähigkeit, Erziehbarkeit (educational attainment), emotionale Ausgeglichenheit (emotional adjustment) oder kognitive Funktionalität eines Menschen. Fast immer ist es so, daß die gefundenen Erkenntnisse verschiedener Forscher einander widersprechen oder aber methodologisch derart fragwürdig zustande kamen, daß nicht wirklich mit ihnen zu rechen ist.

        Ein Kollege Namens Saer wollte 1923 anhand von Tests, die er mit walisisch/englisch-sprachigen Kindern aus ländlichen Gegenden durchgeführt hatte, herausgefunden haben, daß nicht nur deren IQ geringer sei, er nehme zudem im Vergleich zu gleichaltrigen einsprachigen Kindern in den Lebensjahren zwischen sieben und elf noch stetig ab. Andere Studien schienen dies zu bestätigen. Es stellte sich jedoch heraus, daß sowohl der sozioökonomische Hintergrund völlig vernachlässigt worden war – Wenn er berücksichtigt wurde, verschwand die zuvor beobachtete Diskrepanz! – als auch die Tatsache, daß Bilingualität relativ ausgeprägt ist und wie selbstverständlich immer auf Englisch getestet wurde.

        Über die weitere Entwicklung der Bilingualismusforschung hinblicklich solcher mutmaßlichen Effekte läßt sich zusammenfassen sagen: In dem Maße, in dem die Methoden verbessert wurden, verblaßten auch die Unterschiede, die man anfangs so deutlich sehen zu können geglaubt hatte.

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Quelle: E.Harding-Esch/P.Riley, "the bilingual family" (2.Aufl.), Cambridge University Press, Cambridge 2003
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